Teilzeitausbildung – eine gute Lösung für bestimmte Bewerbergruppen
Behinderungen, Lernschwächen, gesundheitliche Einschränkungen, Kinderbetreuung, Pflege und weitere – es gibt verschiedene Gründe, warum junge Menschen manchmal einfach nicht in der Lage sind, ihre Ausbildung in Vollzeit zu absolvieren. Hier ist die Ausbildung in Teilzeit eine gute Lösung. Sie ermöglicht es Ausbildungsbetrieben, weitere Bewerbergruppen zu erschließen, freie Ausbildungsplätze zu besetzen und Nachwuchskräfte für das Unternehmen zu gewinnen. Erfahren Sie mehr, für wen eine Teilzeitausbildung infrage kommt und was Sie als Ausbilderin bzw. Ausbilder dabei beachten müssen.
Für wen bietet sich eine Ausbildung in Teilzeit an?
Gut zu wissen: Die Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) vom 01.01.2020 betraf auch die Teilzeitberufsausbildung. Seitdem dürfen grundsätzlich alle Auszubildenden den betrieblichen Teil ihrer dualen Berufsausbildung in Teilzeit absolvieren, vorausgesetzt natürlich, dass der Ausbildungsbetrieb einverstanden ist. Besonders interessant ist die Teilzeitausbildung für Personengruppen, die wegen ihrer individuellen Lebensumstände keine Vollzeitberufsausbildung absolvieren können. Dazu zählen u. a.:
- junge Mütter und Väter (auch Alleinerziehende), die neben der Ausbildung ihre Kinder betreuen
- junge Menschen, die sich neben der Ausbildung um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmern
- Menschen mit Behinderungen, gesundheitlichen Einschränkungen oder Lernbeeinträchtigungen , für die eine Ausbildung in Vollzeit zu anstrengend ist
- geflüchtete Menschen, die aufgrund von Sprachunterricht zeitlich eingeschränkt sind
- Leistungssportlerinnen und -sportler, die täglich intensiv trainieren
- Erwerbstätige (z. B. Ungelernte oder Umschüler), die neben der Ausbildung weiterarbeiten wollen bzw. müssen, um sich selbst und ihre Familie zu versorgen
Wie funktioniert eine Teilzeitausbildung?
Reduzierung der Ausbildungszeit: Bei einer Teilzeitausbildung vereinbaren Sie mit Ihrer bzw. Ihrem Azubi eine Kürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit. Dabei darf diese nicht mehr als 50 Prozent betragen. In der Regel liegt die gekürzte Ausbildungszeit dann zwischen 20 und 30 Stunden in der Woche, inklusive Berufsschulunterricht. Die Kürzung kann für die gesamte Ausbildungszeit oder nur für einen bestimmten Zeitraum der Berufsausbildung vereinbart werden. Änderungen bestehender Teilzeitmodelle sind ebenfalls möglich.
Berufsschule: Wichtig: Die Regelungen des BBiG zur Teilzeitberufsausbildung beziehen sich nur auf den betrieblichen Teil der dualen Ausbildung, nicht auf den schulischen. Ihre Auszubildenden nehmen in der Regel also ganz normal am Berufsschulunterricht teil. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Je nach Bundesland gibt es an manchen Berufsschulen spezielle Klassen für Auszubildende in Teilzeit. Erkundigen Sie sich am besten einmal bei Ihrer Berufsschule, gerade wenn Sie zum ersten Mal in Teilzeit ausbilden.
Verlängerung der Ausbildung: Entsprechend der vereinbarten Kürzung verlängert sich die Ausbildungsdauer, jedoch höchstens bis zum Eineinhalbfachen der regulären Ausbildungsdauer.
- Beispiel 1: Die reguläre Ausbildungsdauer beträgt 3,5 Jahre. Sie vereinbaren eine Reduzierung auf 75 Prozent (30 statt 40 Wochenstunden). Dann verlängert sich die Ausbildungsdauer auf 4 Jahre und 8 Monate.
- Beispiel 2: Die reguläre Ausbildungsdauer beträgt 3 Jahre. Sie vereinbaren eine Reduzierung auf 50 Prozent (20 statt 40 Wochenstunden). Dann verlängert sich die Ausbildungsdauer auf die Höchstgrenze von 4,5 Jahren (und nicht 6 Jahre).
Verkürzung der Ausbildung: Genau wie reguläre Ausbildungen kann auch die Ausbildung in Teilzeit verkürzt werden. Dies kommt dann infrage, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel auch in der verkürzten Zeit erreicht wird. Voraussetzungen für eine Verkürzung sind u. a.
- höherer Schulabschluss
- berufliche Vorbildung
- gute Leistungen
Ausbildungsvergütung: Wenn Sie Auszubildende in Teilzeit beschäftigen, können Sie deren Ausbildungsvergütung entsprechend der Reduzierung der Ausbildungszeit kürzen, jedoch nicht darüber hinaus. Weiterhin gelten für die Vergütung Ihrer Auszubildenden, egal ob in Vollzeit oder Teilzeit, die Vorgaben aus § 17 Berufsbildungsgesetz (BBiG).
Welche Vorteile bietet eine Teilzeitausbildung?
Für die Auszubildenden liegt der Vorteil einer Teilzeitausbildung klar auf der Hand: Trotz ihrer Lebensumstände, die eine Ausbildung in Vollzeit nicht möglich machen, bekommen sie eine Chance auf eine anerkannte Berufsausbildung und damit auf die Teilhabe am Erwerbsleben. Diese Perspektive, für sich selbst und ihre Familie zu sorgen, ist ein enormer Motivator. Damit wären wir bereits bei den Vorteilen für Sie als Ausbilderin bzw. Ausbilder: Sie gewinnen motivierte und verantwortungsbewusste Nachwuchskräfte. Nicht selten sind sie aufgrund ihrer Lebenssituation und -erfahrung besonders zuverlässig, selbständig und zielstrebig und entwickeln eine hohe Bindung an Ihr Unternehmen.
Gleichzeitig bedeutet das Angebot einer Ausbildung in Teilzeit auch eine enorme Steigerung Ihres Images als Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb, denn eine Flexibilisierung für den Arbeitnehmer verspricht ein hohes Maß an Familienfreundlichkeit und Vereinbarkeit der Ausbildung mit persönlichen Belangen. Das Angebot einer Teilzeitausbildung sollte Ihnen also eine Überlegung wert sein. Gerade in Zeiten, in denen es herausfordernd geworden ist, passende Nachwuchskräfte zu finden, kann es durchaus eine Lösung sein, auf ausgewählte Nischengruppen zu setzen und diese mit Hilfe von Rekrutierungsstrategien gezielt anzusprechen. Ergänzen Sie in Ihren Stellenangeboten doch einfach den Hinweis „auch in Teilzeit möglich“.
Lesetipp zum Thema: Weitere Informationen und Berechnungsbeispiele zur Länge der Ausbildung finden Sie in der Broschüre des BMBF „Berufsausbildung in Teilzeit“, abrufbar unter bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/3/31373_Berufsausbildung_in_Teilzeit.pdf |
Serie
Azubi-Recruiting mal anders: Junge Menschen aus Nischengruppen als Nachwuchskräfte gewinnen
Viele Unternehmen leiden unter dem Fachkräftemangel. Regelmäßig bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt. Warum also nicht eine Nische finden und dort nach Auszubildenden suchen, wo andere womöglich schnell abwinken? In unserer neuen Serie stellen wir Ihnen verschiedene Personengruppen, Maßnahmen und Fördermöglichkeiten vor.
- Teil 1: Legastheniker und Menschen mit Dyskalkulie als Azubis gewinnen
- Teil 2: Menschen mit Autismus als Azubis gewinnen
- Teil 3: Menschen mit körperlicher Behinderung als Azubis gewinnen
- Teil 4: Geflüchtete Menschen als Azubis gewinnen
- Teil 5: Studienabbrecher als Azubis gewinnen
- Teil 6: Teilzeitausbildung
- Teil 7: Verlängerung der Ausbildung
- Teil 8: Nachteilsausgleich bei Prüfungen
- Teil 9: Assistierte Ausbildung (AsA)
- Teil 10: Fördermittel für die Ausbildung junger Menschen mit Behinderung