Nachteilsausgleich bei Prüfungen für Ihre Auszubildenden
Zwischen- und Abschlussprüfungen gehören zur betrieblichen Ausbildung einfach dazu. Doch für Auszubildende mit einer Behinderung können die Prüfungssituationen schnell zur Hürde werden. In solchen Fällen hilft der Nachteilsausgleich. Dabei wird die Prüfung so verändert, dass die Behinderung die Auszubildenden möglichst wenig einschränkt und sie ihre Prüfung unter gleichwertigen Bedingungen ablegen können. Lesen Sie hier, in welchen Fällen der Nachteilsausgleich für Ihre Auszubildenden infrage kommt und was bei der Antragstellung zu beachten ist.
Was ist der Nachteilsausgleich?
Junge Menschen mit Behinderung können eine reguläre betriebliche Ausbildung absolvieren. Damit dies gelingt, bedarf es je nach Art der Behinderung allerdings nicht selten einiger Anpassungen, nicht nur bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes, sondern auch bei den Zwischen- und Abschlussprüfungen. Hier kommt der Nachteilsausgleich ins Spiel: Dieser soll Auszubildenden mit Behinderung ermöglichen, ihre Prüfung unter gleichwertigen Bedingungen zu absolvieren.
Gründe für einen Nachteilsausgleich
Verschiedene Einschränkungen und Behinderungen können einen Nachteilsausgleich begründen. Beispielhafte Einschränkungen und Behinderungen sind:
- Blindheit/Sehbehinderungen
- Hörschädigung/Gehörlosigkeit und Sprachbehinderungen
- Internistische/chronische Erkrankungen
- Körperbehinderungen
- Lernbehinderungen
- Psychische Behinderungen
- Teilleistungsstörungen wie Lese-/Rechtschreibstörung (Legasthenie) oder Rechenstörung (Dyskalkulie)
Ist einer Ihrer Auszubildenden von einer der o. g. Einschränkungen bzw. Behinderungen betroffen, kann sie bzw. er einen Antrag auf Nachteilsausgleich bei der zuständigen Kammer stellen. Der Antrag muss spätestens dann gestellt werden, wenn sich die bzw. der Auszubildende zur Prüfung anmeldet. Besser ist es allerdings, den Antrag früher zu stellen, sodass noch ausreichend Zeit ist, den Nachteilsausgleich bzw. die Maßnahmen zu organisieren.
Maßnahmen bei einem Nachteilsausgleich
Wichtig: Nachteilsausgleiche stellen keine „Begünstigungen“ dar, sondern kompensieren behinderungsbedingte Benachteiligungen in der Prüfungssituation. Die Prüfungsanforderungen bleiben qualitativ erhalten. Als Maßnahme können beispielsweise eine Anpassung
- der Zeitstruktur,
- der Räumlichkeiten,
- der Aufgabenstellung sowie
- technische Hilfen und
- personelle Unterstützung
infrage kommen.
Antragstellung eines Nachteilsausgleichs
Das Antragsformular bekommt man bei der zuständigen Kammer. Zusätzlich benötigt man für den Antrag auf Nachteilsausgleich
- einen Nachweis über die Behinderung, z. B. Kopie des Schwerbehinderten-Ausweises oder ärztliches Attest über die Behinderung
- eine ärztliche Bescheinigung für die aktuell anstehende Prüfung, in der die beantragten Maßnahmen konkret beschrieben und begründet werden
- eine oder mehrere Stellungsnahmen
- des Ausbildungsbetriebs oder Bildungsträgers
- der Berufsschule
- oder einer anderen Stelle.
Die Stellungnahmen sind eine Ergänzung zur ärztlichen Bescheinigung und dienen der weiteren Begründung des Nachteilsausgleichs. Empfohlen wird, die Erfahrungen aus der Ausbildung zu beschreiben sowie die Nachteilsausgleiche, die im Betrieb und in der Schule gewährt wurden.
Gut zu wissen: Neben Ausbildungs-Prüfungen kann der Nachteilsausgleich auch für Fortbildungs-Prüfungen beantragt werden.
Antragsprüfung
Jeder Antrag auf Nachteilsausgleich wird von der zuständigen Kammer individuell geprüft. Dabei gilt der Grundsatz der Chancengleichheit, d. h. die Prüfungsbedingungen müssen für alle Auszubildenden gleich sein. Fragen, die sich die Kammer bei der Antragsprüfung stellt, sind:
- Hat die Prüfung mit Nachteilsausgleich die gleichen Prüfungsinhalte wie die Prüfung ohne Nachteilsausgleich? Man darf nur die Prüfungsform verändern, nicht die Prüfungsinhalte.
- Wird die Prüfungsleistung bei allen Auszubildenden gleich streng bewertet? Wenn die Prüfungsleistung gleich ist, dann müssen auch die Noten gleich sein.
- Hat die bzw. der betroffene Auszubildende mit den beantragten Maßnahmen weniger / keine Nachteile mehr in der Prüfung?
Nach Prüfung des Antrags auf Nachteilsausgleich bekommt Ihr Auszubildender eine Mitteilung, ob der Antrag genehmigt, verändert oder abgelehnt wurde. Im Falle einer Genehmigung organisiert die Kammer die Prüfung, z. B. einen besonderen Prüfungsraum oder eine Prüfungsaufsicht für eine längere Prüfungszeit. In der Regel steht in der Einladung zur Prüfung auch, welche Hilfsmittel dem Auszubildenden gestellt werden und um welche er sich selbst kümmern muss. Auf jeden Fall sollte er zur Prüfung die Genehmigung seines Antrages mitbringen.
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Serie
Azubi-Recruiting mal anders: Junge Menschen aus Nischengruppen als Nachwuchskräfte gewinnen
Viele Unternehmen leiden unter dem Fachkräftemangel. Regelmäßig bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt. Warum also nicht eine Nische finden und dort nach Auszubildenden suchen, wo andere womöglich schnell abwinken? In unserer neuen Serie stellen wir Ihnen verschiedene Personengruppen, Maßnahmen und Fördermöglichkeiten vor.
- Teil 1: Legastheniker und Menschen mit Dyskalkulie als Azubis gewinnen
- Teil 2: Menschen mit Autismus als Azubis gewinnen
- Teil 3: Menschen mit körperlicher Behinderung als Azubis gewinnen
- Teil 4: Geflüchtete Menschen als Azubis gewinnen
- Teil 5: Studienabbrecher als Azubis gewinnen
- Teil 6: Teilzeitausbildung
- Teil 7: Verlängerung der Ausbildung
- Teil 8: Nachteilsausgleich bei Prüfungen
- Teil 9: Assistierte Ausbildung (AsA)
- Teil 10: Fördermittel für die Ausbildung junger Menschen mit Behinderung