Praktika erfolgreich gestalten: Tipps für Betreuerinnen und Betreuer

„Wie ist es Euch ergangen?“ fragt die Lehrerin am ersten Schultag nach dem Praktikum. „Total langweilig, ich habe nur blöd rumgesessen und zugeguckt“, sagt ein Schüler. „Die wussten gar nicht, dass ich komme. Der Pförtner musste sich 30 Minuten lang quer durch die Firma telefonieren, bis mich jemand abgeholt hat“, ein anderer. „Ich hatte nur doofe Aufgaben, aber wenigstens war mir nicht langweilig“, die nächste. „Bei mir war es richtig gut. Alle waren nett und haben sich Zeit genommen“, sagt die letzte. „In den nächsten Ferien arbeite ich wieder dort. Der Chef hat mir sogar vorgeschlagen, meine Ausbildung dort zu machen.“ Und, haben Sie Ihren Praktikanten wiedererkannt?

Praktika sollten gut vorbereitet und durchgeführt werden.
Praktika sollten gut vorbereitet und durchgeführt werden. © zinkevych - de.freepik.com

"Hilfe, wir bekommen einen Praktikanten!"

Wechseln wir den Schauplatz und begeben wir uns vom Klassenzimmer ins Unternehmen. Dort erinnert gerade der Chef: „Denken Sie daran, morgen kommt der neue Praktikant!“ Auch das noch. Sie haben doch sowieso schon mehr als genug zu tun. Und jetzt auch noch einen Praktikanten betreuen?! Damit diesem nicht langweilig wird, fragen Sie in die Runde, wer Ihrer Kolleginnen und Kollegen ggf. etwas zu tun hätte. Schnell sind ein paar Tätigkeiten zusammengestellt: Kaffee kochen, Kopien anfertigen, die Ablage machen, Materialien sortieren, das Regal aufräumen, die Halle fegen und ein paar Botengänge machen. Wenn der Praktikant das alles erledigt hat, kann er einfach mitlaufen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Hauptsache, er stört nicht und Sie haben nicht viel Arbeit mit ihm. Nach vergleichsweise kurzer Zeit ist der Praktikant dann auch schon wieder weg. Sie atmen auf. Eine Aufgabe weniger. Gleichzeitig aber auch eine vertane Chance, eine zukünftige Kraft für Ihr Unternehmen zu gewinnen. Schließlich können in den Praktikantinnen und Praktikanten von heute die dringend benötigten Fachkräfte von morgen stecken. 

Wie sollten Betriebe also Praktika gestalten, um diese Chance nicht zu vermasseln und das Potenzial von Praktikantinnen und Praktikanten bestmöglich zu nutzen?

Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Praktika ernst nehmen und den Praktikantinnen und Praktikanten wertschätzend und auf Augenhöhe begegnen. Schauen Sie sich in Ihrem Unternehmen um, wie Neueintritte (Auszubildene, Fachkräfte, Führungskräfte) gehandhabt werden und welche Elemente Sie davon nutzen können.

Onboarding

Zeigen Sie der Praktikantin bzw. dem Praktikanten, dass Sie sich auf sie bzw. ihn freuen und heißen Sie sie bzw. ihn herzlich willkommen. Das können Sie beispielsweise tun:

  • Teilen Sie dem Praktikanten im Vorfeld mit, wann und wo er sich an seinem ersten Tag melden und was er mitbringen soll (z. B. Verpflegung und Getränke).
  • Bereiten Sie den Mitarbeiterausweis oder das Namensschild vor und legen dieses an der Pforte bereit.
  • Informieren Sie den Pförtner über den Neuankömmling.
  • Informieren Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über das anstehende Praktikum. Klären Sie, wer welche Aufgaben übernimmt und wer Hauptansprechpartner bzw. Betreuer des Praktikanten sein soll.
  • Bereiten Sie eine Begrüßungsmappe vor. Mögliche Inhalte sind Ihre Betriebsordnung sowie Bestimmungen zu Arbeitssicherheit, Unfallschutz, Betriebsgeheimnissen, Datenschutz etc., Broschüren zu Ihrem Unternehmen, Leistungen und Produkten u. v. m.

Tipp: Weitere Checklisten für den ersten Tag finden Sie in dem kostenfreien Whitepaper So geht Azubi-Bindung! Neue Auszubildende mit geplantem Onboarding erfolgreich ins Unternehmen integrieren und langfristig binden

Gestaltung des Praktikums

Die Gestaltung des Praktikums hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Länge: Zwischen einem Tag und zwölf Monaten ist alles möglich. So dauern Schnupperpraktika bzw. Schnuppertage nur wenige Tage, ein Praxistag sogar nur einen. Berufsorientierungspraktika bzw. Betriebspraktika, die von der Schule meist in der 9. Klasse vorgegeben werden, haben in der Regel eine Dauer von zwei oder drei Wochen; freiwillige Praktika in den Ferien sind häufig länger. Studentinnen und Studenten, die ein Praxissemester oder Urlaubssemester machen, kommen für sechs Monate zu Ihnen. Und da ist noch das Jahrespraktikum mit einer Dauer von zwölf Monaten. Je länger das Praktikum, desto mehr Erfahrungen kann der Praktikant sammeln und desto anspruchsvoller können die Aufgaben im Zeitverlauf gestellt werden.
  • Alter der Praktikantinnen und Praktikanten: In der 9. Klasse sind die Schülerinnen und Schüler in der Regel 14 oder 15 Jahre alt, also noch minderjährig, und unterliegen damit dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). Dies müssen Sie insbesondere bei den Arbeitszeiten berücksichtigen. Für Volljährige, wie beispielsweise Studierende, gilt das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).
  • Vorbildung: Mit dem Alter einher geht auch die Vorbildung der Praktikantinnen und Praktikanten. Studierende, die bereits die ersten Semester absolviert haben, bringen natürlich mehr mit als Schülerinnen und Schüler, die fast noch Kinder sind und meist mehr an die Hand genommen werden müssen als ältere Praktikantinnen und Praktikanten.
  • Führerschein: Ein weiterer Aspekt, der ebenfalls mit dem Alter der Praktikantinnen und Praktikanten zusammenhängt, ist der Führerschein. Dies müssen Sie ebenfalls berücksichtigen, wenn Sie Ihre Praktikantinnen und Praktikanten mit Botengängen bzw. Fahrten beauftragen möchten.

Mit diesen Faktoren im Hinterkopf sollten Sie dann die Inhalte und Aufgaben für die Praktikumszeit entwickeln. Machen Sie sich bewusst: Die Praktikantinnen und Praktikanten kommen zu Ihnen, um sich beruflich zu orientieren, um einen Beruf, für den sie sich interessieren, in der Praxis zu erproben, und um herauszufinden, ob Sie der Arbeitgeber sind, bei dem sie später einmal arbeiten möchten.

  • Authentizität: Inhaltlich sollten Sie den Ausbildungsberuf (oder die Ausbildungsberufe) und natürlich Ihr Unternehmen vorstellen. Ziel ist es, dass sich die jungen Menschen ein realistisches Bild vom Beruf machen können. Deshalb sollten Sie nicht nur die positiven Aspekte darstellen, sondern auch die vielleicht weniger interessanten Tätigkeiten zeigen – Ehrlichkeit ist hier absolut notwendig. Vielleicht können auch Ihre Auszubildenden selbst aus ihrem Alltag berichten und erläutern, warum sie der Meinung sind, den richtigen Beruf gewählt zu haben.
  • Eigenes Handeln: Wo immer möglich, sollten die Praktikantinnen und Praktikanten selbst aktiv werden und „Hand anlegen“ können. Beispielsweise in Form eines Projektes, an dem sie mitwirken können. Idealerweise haben sie am Ende des Praktikums etwas selbst Gemachtes, das sie mit nach Hause nehmen können. Was natürlich im handwerklichen oder produzierenden Bereich einfacher ist als bei Büroberufen. Die Aufgaben, die die Praktikanten bekommen, sollten anspruchsvoll, aber auch erfüllbar sein. Vermeiden Sie langen Leerlauf und Untätigkeit; Langeweile ist der Tod eines erfolgreichen Praktikums.
  • Lernbegleitung: Besonders gut funktioniert dieses eigene Handeln, wenn Sie als Betreuerin bzw. Betreuer sich selbst nicht als Lehrer, sondern als Lernbegleiter verstehen. Konkret heißt das, weniger auf das 4-Stufen-Modell à la „vorbereiten, vormachen, nachmachen, üben“ zu setzen, sondern die Praktikantinnen und Praktikanten - dort, wo es möglich ist - sich die Dinge selbst erarbeiten zu lassen. Sie geben also keinen Weg vor, sondern lassen Ihre Schützlinge den Weg zur Lösung selber finden.
  • Regelmäßiges Feedback: Die jungen Menschen sind oft unsicher und können ihre Leistung oft noch gar nicht selbst einschätzen. Regelmäßige Feedbackgespräche geben Orientierung. Fragen Sie zudem auch selbst nach, was dem Praktikanten gefällt, welche besonderen Interessen er vielleicht hat und wie er das Praktikum empfindet.

Offboarding

Zum Ende des Praktikums heißt es, den Austritt und die Verabschiedung zu organisieren. Ziel muss es immer sein, dass die Praktikantin bzw. der Praktikant Ihr Unternehmen mit einem positiven Gefühl verlässt – ungeachtet davon, wie es nach dem Praktikum weitergeht. Das gehört beispielsweise dazu:

  • Führen Sie ein Abschlussgespräch. Fairness und Wertschätzung sind dabei besonders wichtig.
  • Sorgen Sie dafür, dass der Praktikant Arbeitsmittel und Firmeneigentum wie z. B. Schlüsselkarten zurückgibt.
  • Stellen Sie ein qualifiziertes Praktikumszeugnis aus.
  • Hat der Praktikant einen besonders guten Eindruck hinterlassen, können Sie anbieten, in den nächsten Schul- oder Semesterferien wiederzukommen (als Praktikant oder Ferienjobber). Studentinnen und Studenten können Sie alternativ eine Werksstudententätigkeit anbieten.
  • Andere Möglichkeiten, um nach dem Praktikum in Kontakt zu bleiben, sind z. B. Einladungen zu Mitarbeiter-Veranstaltungen, eine Karte zu Weihnachten, ein Gruß zum Geburtstag oder die Zusendung Ihres Mitarbeiter-Magazins.
  • Bieten Sie Schülerinnen und Schülern an, ihre Ausbildung in Ihrem Unternehmen zu machen, Studierenden den Direkteinstieg oder ein Traineeprogramm.

Tipp: Weitere Informationen sowie eine Checkliste zum Offboarding finden Sie in dem Beitrag Offboarding – wenn Azubis nicht übernommen werden.

Praktika als wertvolles Instrument im Azubi-Recruiting

Praktika machen viel Arbeit, aber der Invest lohnt sich. Schließlich sind sie ein gutes Mittel, um junge Menschen für einen bestimmten Ausbildungsberuf und für Ihr Unternehmen zu begeistern. Sie haben die Gelegenheit, Ihre potenziellen Nachwuchskräfte im Vorfeld kennenzulernen und einschätzen zu können. Eine Fehlentscheidung (auf Seiten des Unternehmens bei der Personalauswahl, aber auch seitens des Jugendlichen bei seiner Berufs- und Betriebswahl) wäre meist viel aufwendiger und teurer.

Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist die positive Mund-zu-Mund-Propaganda, denn ehemalige Praktikantinnen und Praktikanten können als Multiplikatoren wirken. Wenn das Praktikum eine positive Erfahrung für sie war, werden sie Freunden und Familie, Mitschülern und Kommilitonen davon berichten und Ihren Betrieb weiterempfehlen – eine bessere Werbung gibt es nicht!

Empfehlung: Lesen Sie das Info Paper Beruf und Betrieb erlebbar machen: Azubi-Recruiting mit Praktika und holen Sie sich Tipps und Anregungen, wie Sie Ihr Azubi-Recruiting mithilfe von Praktika gestalten können.




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