Ausbilder-Tipps für Übernahmegespräche

Sie wollen Ihre Azubis an Ihr Unternehmen binden und als Fachkräfte übernehmen? Dann sind unklare Karriereperspektiven, zähflüssige Entscheidungsprozesse und Ungewissheit absolute No-Gos! Geben Sie Ihren Azubis die Gewissheit, wie es nach der Ausbildung weitergeht, und wirken Sie Wechselwünschen entgegen. Tipps und Denkanstöße dazu im Beitrag.

Azubis möchten frühzeitig Gewissheit haben, wie es nach der Ausbildung weitergeht.
Azubis möchten frühzeitig Gewissheit haben, wie es nach der Ausbildung weitergeht. © Designed by pressfoto / Freepik

Inhalt

  • Was sagt das Gesetz?
  • Beispielhafte Fragen für das Übernahmegespräch
  • Regelmäßige Gespräche
  • Kriterien und Tools zur Beurteilung
  • Kompetenzen erkennen und einsetzen
  • Vertragsgestaltung und Rechtliches
  • Fazit

Was sagt das Gesetz?

Schauen wir uns zunächst einmal an, was das Berufsbildungsgesetz (BBiG) zur Übernahme von Azubis sagt. Dort heißt es in § 12 Nichtige Vereinbarungen:


(1) Eine Vereinbarung, die Auszubildende für die Zeit nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit beschränkt, ist nichtig. Dies gilt nicht, wenn sich Auszubildende innerhalb der letzten sechs Monate des Berufsausbildungsverhältnisses dazu verpflichten, nach dessen Beendigung mit den Ausbildenden ein Arbeitsverhältnis einzugehen.

Der früheste Termin, mit Ihrer Fachkraft in spe einen Arbeitsvertrag zu schließen, ist also sechs Monate vor Ausbildungsabschluss. Dennoch sollten Sie die Übernahme natürlich nicht erst dann thematisieren. Bei unklaren Karriereperspektiven riskieren Sie sonst, dass sich Ihre Azubis anderweitig auf dem Arbeitsmarkt umschauen. Deshalb:


  • Starten Sie Ihr Retention-Management-Programm bereits während der Ausbildung.
  • Thematisieren Sie in den Gesprächen mit Ihren Auszubildenden regelmäßig die Zeit nach der Ausbildung und werden Sie über den Zeitverlauf immer konkreter.
  • Nutzen Sie das letzte Ausbildungsjahr, um die Weichen für die Übernahme zu stellen. Hat sich bei Ihrem Rotationsverfahren beispielsweise eine besondere Einsatzabteilung gezeigt, können Sie organisieren, dass diese Abteilung ein weiteres Mal durchlaufen wird.
  • Gehen Sie – insbesondere dann, wenn Sie für die Ausbildung in einem größeren Unternehmen verantwortlich sind - frühzeitig in die Vorgespräche mit Personalabteilung, Fachabteilung und Betriebsrat/JAV.
  • Starten Sie mit den Vertragsgesprächen ein halbes Jahr vor Ausbildungsabschluss.

Gut zu wissen

Der geeignete Zeitpunkt für Übernahmegespräche war übrigens Gegenstand der Studie Azubi-Recruiting Trends 2020. Das Ergebnis: Aus der Sicht von 49,4 Prozent der Azubis sollte das Gespräch zur Übernahme zu Beginn des letzten Ausbildungsjahres erfolgen. Das ist auch die Variante, die die meisten Ausbildungsbetriebe wählten. Allerdings führte jeder fünfte Betrieb das Gespräch erst mit der Einladung zur Abschlussprüfung – deutlich zu spät aus Sicht der meisten Azubis.

Meinung sagen: Die Befragung zur aktuellen Studie 2024 läuft bis zum 31. März 2024. Sie und Ihre Azubis sind herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen.

> zur Befragung für Ausbilder und Ausbildungsverantwortliche
> zur Befragung für Schüler, Bewerber und Azubis

Beispielhafte Fragen für das Übernahmegespräch

  • Wie hat sich die/der Auszubildende über die Ausbildungszeit hinweg entwickelt?
  • Was hat der Azubi bisher geleistet? Welche Erfolge konnte er verbuchen?
  • Wo sehen Sie als Ausbilderin bzw. Ausbilder seine Stärken und Schwächen? (Fremdeinschätzung)
  • Wo sieht der Azubi seine Stärken und Schwächen? (Selbsteinschätzung)
  • Wie könnte die künftige Beschäftigung aussehen? Hat der Azubi eine Wunschabteilung? Stimmt dieser Wunsch mit der Personalplanung des Ausbildungsbetriebs überein? Welche Alternativen gibt es, wenn es mit dem Wunsch nicht klappt?
  • Wie muss das letzte (halbe) Ausbildungsjahr gestaltet werden, um den Azubi auf seine zukünftige Aufgabe vorzubereiten? (z. B. Weiterentwicklungsmaßnahmen vereinbaren)
  • Was sind die vertraglichen Konditionen, wenn der Azubi nach seinem Abschluss als Fachkraft übernommen wird?
  • Wie geht es weiter? (z. B. nächstes Gespräch, Termin zur Vertragsunterzeichnung)

Regelmäßige Gespräche

Um die Entwicklung der Auszubildenden/des Azubis in seiner bisherigen Ausbildung zu beurteilen, können Sie auf die Ergebnisse der Mitarbeitergespräche zurückgreifen, die Sie bislang geführt haben. Regelmäßige Feedback-, Entwicklungs- und Leistungsbeurteilungsgespräche geben dem Auszubildenden Sicherheit und tragen gleichzeitig zur Feedbackkultur in Ihrem Unternehmen bei. Einige Termine können Sie bereits zu Ausbildungsbeginn vereinbaren, beispielsweise:

  • zum Abschluss des Einarbeitungsprogramms
  • zum Ende der Probezeit
  • nach Beendigung einzelner größerer Ausbildungsabschnitte (z. B. bei Rotationsverfahren)
  • zum Ende des ersten Lehrjahres
  • nach der Zwischenprüfung
Lesen Sie auch: Sachlich, fair und konstruktiv: Auszubildenden richtig Feedback geben

Kriterien und Tools zur Beurteilung

In den o. g. Mitarbeitergesprächen werden in der Regel verschiedene Kriterien aus den Bereichen Leistung und Verhalten beurteilt, die idealerweise mit Beurteilungsbögen dokumentiert werden. Beispielhafte Beurteilungskriterien im Überblick sind:

  • Entwicklungsfähigkeit, Lernbereitschaft und Auffassungsgabe
  • Selbstständigkeit und Selbstorganisation
  • Motivation, Ausdauer und Belastbarkeit
  • Engagement und Verantwortungsübernahme
  • Arbeitsqualität und Zuverlässigkeit
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Kooperationsbereitschaft und Teamfähigkeit

Durch eine regelmäßige Beurteilung wird die Entwicklung des Auszubildenden sichtbar gemacht und seine Stärken, aber auch seine Schwächen aufgezeigt. Bei der Vorbereitung der Übernahme als Fachkraft ist es wichtig, dass das Profil des Azubis zu den Anforderungen der angedachten Stelle passt, dass er seine Stärken einbringen und sein Potenzial voll entfalten kann. Tipp: Auch der Azubi kann einen Bogen ausfüllen und sich damit selbst reflektieren.

Arbeitshilfen: Wenn Sie noch keinen standardisierten Beurteilungsbogen in Ihrem Unternehmen im Einsatz haben, können Sie die folgenden  Vorlagen nutzen, um sich Anregungen zu holen und daraus Ihren eigenen Bogen zu entwickeln. Denken Sie in diesem Zusammenhang auch daran, Ihren Betriebsrat mit einzubeziehen; nach §94 BetrVG muss dieser der Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze zustimmen. 

Wie das Ausfüllen der Bögen konkret gehandhabt wird, ist Ihrem Unternehmen natürlich selbst überlassen: Paper-Pencil, als Formular zum Ausfüllen am PC oder mit einem Online-Umfragetool.

Kompetenzen erkennen und einsetzen

Die Auseinandersetzung mit den individuellen Stärken und Schwächen Ihrer Angestellten ist ein wesentlicher Punkt in der Azubi- und Mitarbeiterbeurteilung. Eine kontinuierliche und dokumentierte Selbst- und Fremdeinschätzung der Beschäftigten ist hilfreich, um persönliche Stärken und besondere Kompetenzen zu erkennen und weiter auszubauen.

Tipp: Schauen Sie als Ausbilder auf die natürlichen Begabungen, die Ihr Azubi von Haus aus mitbringt, sowie auf die besonderen Stärken und Fähigkeiten, die er im Laufe seiner Ausbildung gezeigt und entwickelt hat. Stellen Sie sich die Frage, wie Sie diese weiter fördern können, beispielsweise durch

  • Schulungsteilnahme / Weiterbildung
  • Mitarbeit in Projekten / eigene Projekte
  • Übernahme von Sonderaufgaben
  • (Wiederholter) Einsatz in der zukünftigen Fachabteilung

Die vereinbarten Maßnahmen sollten in dem Gespräch ebenfalls dokumentiert und im nächsten Gespräch dann reflektiert werden.

Exkurs Stärken und Schwächen

Wir Menschen haben alle unsere Eigenheiten. Über die Frage, wer eigentlich darüber entscheidet, welche dieser Eigenheiten positiv oder negativ sind, lässt sich lange philosophieren. Fest steht: Häufig meinen wir, unseren (vermeintlichen) Schwächen den Kampf ansagen zu müssen, um ein besserer Mensch zu werden. Und in diesen Kampf investieren wir viele Ressourcen. Ressourcen, die wir an anderer Stelle viel besser einbringen könnten. Reiten Sie als Ausbilder also nicht zu sehr auf den Schwächen Ihres Azubis und deren Beseitigung herum, sondern richten Sie Ihren Blick auf seine Stärken und sein Potenzial und bestärken Sie ihn in seinen besonderen Fähigkeiten. So wird er motiviert an seine neuen Aufgaben als Fachkraft herangehen und seine Stärken gewinnbringend einsetzen.

Vertragsgestaltung und Rechtliches

Die Übernahme Ihres Azubis sollten Sie rechtzeitig vertraglich regeln, d. h. in den letzten sechs Monaten des Berufsausbildungsverhältnisses (vgl. § 12 (1) Berufsbildungsgesetz). Voraussetzung, dass Sie Ihren Azubi übernehmen können, ist, dass dieser seine Abschlussprüfung bestanden hat. Achtung: Beschäftigen Sie Ihren Azubi nach erfolgreich bestandener Abschlussprüfung ohne vorherige Vereinbarungen weiter, so kommt dies einem unbefristeten Arbeitsvertrag gleich (§ 24 BBiG). Man spricht dann von einer „versehentlichen Übernahme“.

Sonderfälle: Wenn in Ihrem Ausbildungsbetrieb ein Tarifvertrag gilt, gibt es möglicherweise eine Übernahmegarantie. Diese kann auf ein oder zwei Jahre befristet oder auch unbefristet sein. Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) müssen Sie unbefristet weiterbeschäftigen, wenn diese die Übernahme innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung ihrer Ausbildung schriftlich einfordern.

Bis auf diese Ausnahmen sind Sie in der Vertragsgestaltung frei, d. h. Sie können den Vertrag befristen oder einen unbefristeten Vertrag abschließen. Auch wenn Sie den Azubi bereits kennen, können Sie eine neue Probezeit vereinbaren, um damit zu erproben, wie gut die Nachwuchskraft ihre neuen Aufgaben erfüllt. Üblich sind Probezeiten zwischen drei und sechs Monaten.

Und wenn es mit der Übernahme nicht funktioniert? Auch wenn Sie einen Azubi nicht übernehmen können oder wollen, sollten Sie frühzeitig ein Gespräch terminieren und Ihrem Azubi damit die Chance geben, sich rechtzeitig bei einem anderen Unternehmen zu bewerben und sich bei der Agentur für Arbeit zu melden. Tipps für ein gutes Offboarding lesen Sie in unserem Beitrag: Offboarding – wenn Azubis nicht übernommen werden

Fazit

Azubis möchten frühzeitig Gewissheit haben, wie es nach der Ausbildung weitergeht, denn Ungewissheit kann schnell zu einem Wechselwunsch führen, so eines der Ergebnisse unseres Qualitätsreports Ausbildung. In den Freitextantworten, die wir dazu u. a. ausgewertet haben, kam regelmäßig eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Übernahmeprozess zum Ausdruck. So wurden beispielsweise zähflüssige Entscheidungsprozesse und unklare Karriereperspektiven beklagt. Machen Sie es besser: Sorgen Sie als Ausbilderin/Ausbilder für Klarheit. Überprüfen Sie Ihren Übernahmeprozess und suchen Sie frühzeitig das Gespräch mit Ihren Azubis, um junge Potenzialträger an Ihr Unternehmen zu binden.

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