Warum die Ausbildung wieder mehr in den Fokus gerückt werden muss

„Ich gehe nach dem Abitur an die Uni“ oder „Nach der Realschule mache ich mein Fachabi und studiere“ sind Antworten, die man heutzutage von über der Hälfte der Schulabgänger hört, wenn man sie fragt, was sie nach der Schule machen wollen. Ein Trend, der immer deutlicher wird, und bereits jetzt negative Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt und viele Ausbildungsbetriebe hat. Wie kann die duale Ausbildung also wieder mehr in den Fokus gerückt werden?

Die duale Ausbildung sollte wieder vermehrt in den Fokus gerückt werden
Die duale Ausbildung sollte wieder vermehrt in den Fokus gerückt werden © Michal Jarmoluk | Pixabay Public Domain

Die aktuelle Situation

Die Zahlen der Studienanfänger haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert: Haben im Jahr 2006/2007 noch knapp 345.000 junge Menschen ein Studium aufgenommen, waren es zehn Jahre später, im Studienjahr 2016/2017, knapp 508.000. Ein möglicher Grund für diese steigende Zahl könnte das derzeit verbreitete Denken sein, ein Hochschulabschluss sei heutzutage ein Muss, um in der Arbeitswelt zu bestehen. Regelmäßig zu Studienbeginn hört man in den Medien daher von überfüllten Hörsälen und von überfordertem Betreuungspersonal, das die Masse an neuen Studenten nicht bewältigen kann. Gleichzeitig ist jedoch auch die Quote der Studienabbrecher gestiegen. Mehr als ein Drittel der Studienanfänger bricht ihr Studium im Laufe der Zeit wieder ab und orientiert sich um. Die häufigsten Gründe: Unterschätzte Anforderungen, Leistungsdruck, schlechte Noten.

Der Bereich der Berufsausbildung hat diese Probleme nicht. Ganz im Gegenteil. Da immer mehr Schulabgänger ein Studium der klassischen Ausbildung vorziehen, bleiben immer mehr Lehrstellen frei. Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen stehen regelmäßig vor der Herausforderung, ihre freien Plätze zu besetzen. Als Konsequenz daraus bauen die betroffenen Betriebe ihre Ausbildungsplätze ab, d. h. sie bilden entweder gar nicht mehr aus oder reduzieren die Anzahl ihrer Lehrstellen.

Der Trend der letzten Jahre zur Akademisierung wirkt sich stark auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft aus. Bereits jetzt ist überall die Rede vom Fachkräftemangel. Unternehmen können offene Stellen nicht mehr mit passendem Personal besetzen. Währenddessen bekommen viele Studienabsolventen nicht den Job, den sie sich ursprünglich gewünscht hatten – fehlende Praxiserfahrung oder kein Bedarf an Führungskräften in bestimmten Bereichen sind die häufigsten Gründe.

Doch warum beginnen so viele junge Menschen ein Studium, dem sie nicht gewachsen sind, statt sich für einen Ausbildungsberuf zu entscheiden? Ist die betriebliche Ausbildung nicht ansprechend genug? Oder ist das Wissen bezüglich des Themas Ausbildung bei Schulabsolventen einfach nicht ausgereift?

Die Attraktivität der Ausbildung

Insbesondere an Gymnasien beobachtet man immer wieder, dass Abiturienten in Richtung Studium gepusht werden. Eine ausführliche Ausbildungs- und Berufsorientierung gibt es meistens nicht, denn die Schüler werden ja sowieso studieren. Dass diese Art des Denkens falsch ist, sieht man an den Zahlen der Studienabbrecher, denn nicht jeder ist automatisch für ein Studium geeignet, nur weil er Abitur hat. Und auch der vorherrschende Glaube, dass man mit einem Ausbildungsabschluss keine guten Chancen auf einen Aufstieg bei seinem späteren Arbeitgeber hat, ist nicht richtig. Im Gegenteil: Der Ausbildungsabschluss eröffnet viele Möglichkeiten, denn die Zahl an Weiterbildungsangeboten ist riesig. Ob Betriebswirt, Techniker oder Meister – höhere Positionen im Unternehmen zu bekommen, ist mit diesen Qualifizierungen allemal möglich, denn Berufserfahrung in Kombination mit einer Weiterbildung sind mit einem Hochschulabschluss vergleichbar.

Die Möglichkeit auf eine Weiterqualifizierung nach dem Ausbildungsabschluss sollten Unternehmen am besten bereits in der Stellenausschreibung des Ausbildungsplatzes erwähnen, um auch ambitionierte Schulabgänger anzusprechen. Gerade bei schwer zu besetzenden Berufen ist es ratsam, aufzuzeigen, welche Chancen und Möglichkeiten der Schüler nach der Ausbildung im Unternehmen hat – so bekommt dieser eine deutlichere Vorstellung von der Ausbildung und dem sich daran anschließenden Entwicklungspfad. Vielleicht stellt er sogar fest, dass ein Studium für die von ihm angestrebte Position gar nicht nötig ist. Attraktive Ausbildungsvergütungen und Zusatzleistungen können die duale Ausbildung zusätzlich interessanter machen.

Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt stehen mit einer Ausbildung gut, denn wie bereits eingangs erwähnt, macht sich der Fachkräftemangel bei den Unternehmen schon bemerkbar. Insbesondere der Einzelhandel oder der gewerblich-technische Bereich suchen händeringend nach neuen Fachkräften. Eine Ausbildung in einer dieser Branchen zu absolvieren, verschafft Nachwuchskräften somit einen sicheren Arbeitsplatz und bietet eine große Auswahl von Optionen auf dem Arbeitsmarkt.

Zudem ist eine Ausbildung nicht nur für Haupt- und Realschulabsolventen geeignet. Inzwischen gibt es für jeden Schulabschluss eine passende duale Ausbildung. So werden Ausbildungsplätze für Industriekaufleute oder Veranstaltungskaufleute häufig an Abiturienten vergeben. Aber auch, wenn eine Berufsausbildung als Voraussetzung einen niedrigeren Schulabschluss hat, können sich Absolventen mit höheren Schulabschlüssen darauf bewerben und haben dadurch ggf. sogar den Vorteil, die Ausbildung in verkürzter Zeit abschließen zu können. So kann ein Abiturient eine Ausbildung, die üblicherweise 3 Jahre dauert, beispielsweise in 2 Jahren absolvieren und hat früh die Möglichkeit, als Fachkraft in die Berufswelt einzusteigen.

 

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Melanie Sielemann

Bewerberberatung
Ausbildungsleitung

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