„Generell sehr offen für neue Formate“

POSITION vom 28.03.2024. So früh wie möglich mit potenziellen Azubis ins Gespräch zu kommen: Dieses Ziel steckt hinter dem wachsenden Engagement vieler Betriebe in Sachen Berufsorientierung. Was junge Menschen wirklich erreicht, welche Hürden dabei fallen können und wie berufspraktisches Know-how in die Schulen kommt, zeigen zwei Beispiele.

Die Gondel schaukelt leicht, aber das merkt keiner, denn in ihrem Inneren wissen zwei Personen genau, was sie wollen: sich kennenlernen. Dabei helfen – wie immer im Leben – vor allem die richtigen Fragen: Was macht der Betrieb genau? Welche Ausbildungsberufe gibt es? Was muss ich für Voraussetzungen mitbringen? Die Rede ist hier von einem Date der besonderen Art, in luftiger Höhe, an einem Samstagvormittag im Schwäbischen: Mehrere Firmen haben zum Speeddating im Riesenrad geladen, bieten Schülerinnen und Schülern eine zwanglosere Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen als bei einer normalen Ausbildungsmesse am Stand.

„Der Clou ist tatsächlich die begrenzte Zeit“, berichtet Melissa Link, Ausbildungsleiterin bei dem schwäbischen Großhändler Reisser AG, „man kommt schneller auf den Punkt“. Natürlich sei die Fahrt im Riesenrad mit Unternehmensvertretern aber auch einfach spektakulär.

Das Unternehmen ließ sich die Riesenraderfahrung rund das Doppelte eines normalen Messeauftritts kosten, da sie in die Gesamtstrategie des Ausbildungsmarketings passte. „Wir sind generell sehr offen für neue Formate und sehen den direkten Austausch im Zentrum unserer Bemühungen“, erklärt Link. Deshalb sei man sehr präsent in Schulen, schicke IHK-Ausbildungsbotschafter aus dem Betrieb in die Klassen. Überhaupt sei das Wort „Botschafter“ ein wichtiges: „Wir erklären und berichten viel, denn die professionellen Berufsberater können schließlich nicht jeden Ausbildungsberuf und vor allem nicht die betriebliche Realität kennen“, so die Ausbildungsleiterin.

Azubis als Insider

Deshalb komme insbesondere den Auszubildenden der Firma eine große Bedeutung zu. „Sie stehen als Ansprechpartner auf Augenhöhe zur Verfügung, denn obwohl wir mit unseren knapp 2.000 Mitarbeitenden regional bekannt sind, weiß kaum ein Schüler, was er bei uns tatsächlich tun kann“, sagt Link. Und von Azubi zu potenziellem Azubi redet es sich noch einmal ganz anders.

Das weiß auch Ina Wellmann von der AUBI-plus GmbH aus Hüllhorst in Nordrhein-Westfalen, einem Unternehmen, das sich seit 1997 um die Besetzung von Ausbildungsstellen in Betrieben kümmert und Ausbildungsplatzsuchende auf ihrem Weg von der Berufsorientierung bis hin zur Bewerbung um einen Ausbildungsplatz begleitet.

„Jugendliche haben Schwierigkeiten, den direkten telefonischen Kontakt zu suchen“, berichtet sie. Deshalb wolle man ihnen mehr Handlungssicherheit geben und habe ein interaktives Trainingsheft zur Berufsorientierung entwickelt. QR-Codes führen zu Hörbeispielen, vertiefenden Inhalten und Videos von Personalerinnen und Personalern, die Einblicke in die Bewerbungspraxis ihrer Unternehmen geben. Dabei kämen auch Anekdoten zu kuriosen Situationen in Vorstellungsgesprächen vor. „Insgesamt wollen wir dem Thema die Schwere nehmen und zeigen, dass es – fast – überall menschlich zugeht“, so die Personalexpertin.

Ängste vor Stellenanzeigen nehmen

Ein ganz wesentlicher inhaltlicher Aspekt sei dabei, aufzuzeigen, dass nicht alle Erwartungen, die in einer Stellenanzeige formuliert sind, zwingend erfüllt werden müssen. Vielmehr wolle das Trainingsheft „ermutigen, sich mit Ausbildungsfeldern auseinanderzusetzen, die zu den persönlichen Stärken passen“. Die ausbildenden Betriebe könnten dadurch bessere Bewerbungsunterlagen und tiefergehende Gespräche erwarten. Verteilt wird das Trainingsheft großflächig über Schulen im gesamten Bundesgebiet.

Letztere haben nach wie vor eine herausragende Rolle, um junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern. Denn mehr Azubis werden dringend benötigt, wie Jana Heiberger, Berufsorientierungs-Expertin bei der DIHK in Berlin, betont. Laut jüngster DIHK-Ausbildungsumfrage 2023 klagt etwa die Hälfte der Firmen über unbesetzte Azubistellen, jeder dritte Betrieb bekommt keine einzige Bewerbung. „Deshalb wollen acht von zehn Unternehmen ihr Engagement in der beruflichen Orientierung noch weiter intensivieren. 61 Prozent berichten, dass sie künftig mehr Praktikumsplätze und damit praktische Einblicke in den Betriebsalltag anbieten werden“, so Heiberger.

Jeden Kontaktpunkt nutzen

Die Corona-Jahre hätten auch die Berufsorientierung erheblich erschwert. Dies aufzuholen und Jugendliche wieder direkter anzusprechen, sei jetzt wichtig für die Betriebe. Die IHKs unterstützen beim noch schwierigen Zugang zu Schulen und nicht zuletzt durch Formate wie die Ausbildungsbotschafter, „Bosse als Lehrer“ oder Bildungspartnerschaften zwischen Schulen und Betrieben. „Ich empfehle Unternehmen, jeden Kontaktpunkt, den sie finden können, zu nutzen, sei es der Girls’- oder Boys’-Day, eine Praktikumswoche oder ein Pop-up-Store in der Fußgängerzone“, sagt Heiberger. Wichtig sei auch, die Eltern mitzunehmen, dafür gebe es inzwischen gezielte Formate wie den Parents’ Day.

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