Azubi-Bindung durch Employer Branding: Gen Z überzeugen und halten

Der Fachkräftemangel stellt Ausbildungsbetriebe vor große Herausforderungen: Bei 13,4 Prozent unbesetzter Ausbildungsstellen und fast jedem dritten, vorzeitig aufgelösten Ausbildungsvertrag wächst der Druck, neue Talente nicht nur zu gewinnen, sondern diese auch langfristig zu binden. Wie Ihnen das mit einem authentischen Employer Branding gelingen kann, erklärt Andreas Herde, Geschäftsführer der Employer-Branding-Agentur YeaHR!

Andreas Herde im Interview
Andreas Herde im Interview © Andreas Herde

Herr Herde, die aktuellen Zahlen zeigen, dass viele Auszubildende besorgt in ihre berufliche Zukunft blicken. Was bedeutet das für Ausbildungsbetriebe?

Diese Entwicklung sollte für Sie als Ausbildungsverantwortliche ein Weckruf sein. Die Generation Z wächst in einer Zeit großer Unsicherheiten auf – von der Klimakrise über geopolitische Spannungen bis zu wirtschaftlichen Umbrüchen. Junge Menschen suchen nach Stabilität und Perspektiven. Ein attraktives Employer Branding geht heute weit über flotte Sprüche hinaus. Es geht um echte Zukunftsperspektiven. Wenn Sie klare Entwicklungswege und Karrieremöglichkeiten aufzeigen, schaffen Sie einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil im Ausbildungsmarketing.

Laut einer aktuellen Ausbildungsstudie möchte fast die Hälfte der Azubis vorwiegend mit Freude zur Arbeit gehen. Wie kann ein Ausbildungsbetrieb diesen Wunsch in seinem Employer Branding aufgreifen?

Diese Erkenntnis unterstreicht die Wichtigkeit des Arbeitsklimas für die junge Generation. »Mit Freude arbeiten« lässt sich in konkrete Aspekte herunterbrechen: wertschätzender Umgang, positive Fehlerkultur, regelmäßiges Feedback und die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen. Stellen Sie authentische Einblicke in den Ausbildungsalltag bereit – etwa durch Videos, in denen aktuelle Auszubildende von ihren Erfahrungen berichten. Solche Einblicke sind wirkungsvoller als abstrakte Versprechen. Junge Menschen sind sensibel für Übertreibungen – Ihr Employer Branding muss die Realität Ihres Ausbildungsbetriebs widerspiegeln.

Wie wichtig ist die richtige Kommunikation der Übernahmechancen für die Azubi-Bindung?

Unsicherheit über die berufliche Zukunft ist einer der Hauptgründe für vorzeitige Vertragslösungen. Viele Auszubildende bekommen keine zuverlässigen Informationen zur Übernahme. Kommunizieren Sie transparent über Übernahmemöglichkeiten – nicht erst kurz vor dem Ausbildungsende. Zeigen Sie Beispiele erfolgreicher Karrierewege ehemaliger Auszubildender. Schaffen Sie verbindliche Meilensteine für Übernahmegespräche. Diese Ehrlichkeit schafft Vertrauen und stärkt Ihr Arbeitgeberimage – auch wenn einzelne Auszubildende das Unternehmen verlassen.

Die Studie zeigt, dass sich viele junge Menschen über Ausbildungsplattformen informieren. Wie sollten Ausbildungsbetriebe dort ihr Employer Branding gestalten?

Diese Erkenntnis verdeutlicht die zentrale Bedeutung digitaler Plattformen für Ihr Azubi-Recruiting. Ausbildungsplattformen wie Ausbildung.de oder AUBI-plus sind oft der erste Berührungspunkt mit potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern. Nutzen Sie alle Möglichkeiten dieser Portale: aussagekräftige Unternehmensprofile mit authentischen Bildern, detaillierte Präsentation Ihrer Ausbildungsberufe und Erfahrungsberichte aktueller Auszubildender. Besonders wichtig: Reagieren Sie aktiv auf Bewertungen – auch auf kritische. Ein professioneller Umgang mit Kritik zeigt Reflexionsfähigkeit.

Welche Rolle spielen die Eltern beim Employer Branding für Azubis?

Viele Ausbildungsverantwortliche unterschätzen: Eltern sind entscheidende Einflussfaktoren bei der Berufswahl. Ein bedeutender Anteil der Jugendlichen informiert sich mit Unterstützung ihrer Eltern über Ausbildungsplätze. Ein kluges Employer Branding berücksichtigt daher auch die Elternperspektive. Eltern achten oft auf andere Aspekte – etwa Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegschancen oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Entwickeln Sie Informationsmaterialien für Eltern, organisieren Sie Elternabende oder spezielle Betriebsführungen. Wenn Sie die Eltern überzeugen, haben Sie starke Fürsprecher für Ihr Ausbildungsangebot an Ihrer Seite.

Eine gute Atmosphäre im Betrieb ist vielen Auszubildenden wichtig. Wie können Ausbildungsbetriebe diesen Aspekt hervorheben?

Die Herausforderung besteht darin, etwas so Abstraktes wie »gute Atmosphäre« greifbar zu machen. Werden Sie konkret! Zeigen Sie nicht nur, WAS in Ihrem Betrieb gelernt wird, sondern vor allem, WIE zusammengearbeitet wird. Dokumentieren Sie gemeinsame Aktivitäten wie Azubi-Projekte oder Teamevents. Lassen Sie Ihre Ausbilderinnen und Ausbilder ihre Betreuungsphilosophie erklären. Die Generation Z legt großen Wert auf flache Hierarchien und respektvolle Kommunikation. Wenn diese Aspekte Teil Ihrer Unternehmenskultur sind, sollten sie im Zentrum Ihres Employer Brandings stehen.

Vertragsauflösungen reduzieren durch internes Employer Branding

Fast jeder dritte Ausbildungsvertrag wird vorzeitig aufgelöst. Welche Maßnahmen im Bereich Employer Branding können helfen, diese Quote zu senken?

Employer Branding endet nicht mit der Unterzeichnung des Ausbildungsvertrags – dann beginnt die eigentliche Arbeit bei der Gestaltung Ihrer Ausbildungsarbeit. Etablieren Sie ein systematisches Onboarding-Programm und stellen Sie Patinnen und Paten aus höheren Ausbildungsjahrgängen zur Seite. Führen Sie regelmäßige Feedback- und Entwicklungsgespräche. Nehmen Sie Kritik und Verbesserungsvorschläge der Auszubildenden ernst. Die Generation Z möchte mitgestalten. Betriebe, die hier Mitsprachemöglichkeiten schaffen, haben geringere Abbruchquoten.

Wie können digitale Kanäle genutzt werden, um das Employer Branding gezielt auf die Generation Z auszurichten?

Digitale Kanäle sind das natürliche Habitat der Generation Z. Instagram und TikTok eignen sich hervorragend für Einblicke in den Ausbildungsalltag – etwa durch »A Day in the Life«-Formate. Auf YouTube können Sie Ausbildungsberufe detailliert vorstellen. Setzen Sie auf echte Mitarbeitende statt auf hochglanzpolierte Werbevideos. Besonders effektiv ist die Einbindung Ihrer aktuellen Auszubildenden in die Content-Erstellung – so erreichen Sie einen authentischeren Ton und stärken die Identifikation mit dem Unternehmen. Ihre Azubi-Recruiter sollten gemeinsam mit den Auszubildenden eine konsistente Social-Media-Strategie entwickeln, die regelmäßige und zielgruppengerechte Einblicke bietet.

Welche konkreten Maßnahmen empfehlen Sie, um die Quote der Azubis zu reduzieren, die den Betrieb nach dem Ausbildungsende verlassen?

Entwickeln Sie transparente Karrierepfade und kommunizieren Sie diese aktiv. Bieten Sie Perspektiven durch Weiterbildungsangebote oder Spezialisierungsmöglichkeiten. Bewährt haben sich »Übernahme-Scouts« – erfahrene Mitarbeitende, die als Mentorinnen und Mentoren die Auszubildenden im letzten Jahr bei der beruflichen Orientierung unterstützten. Wichtig ist auch eine attraktive Vergütung nach der Ausbildung. Viele Betriebe verlieren ihre frisch ausgebildeten Fachkräfte an Wettbewerber mit besseren Konditionen. Die Kosten einer Neubesetzung übersteigen oft deutlich die Mehrkosten einer wettbewerbsfähigen Vergütung.

Zum Abschluss: Was sind Ihre drei wichtigsten Empfehlungen für ein Employer Branding, das Azubis nicht nur gewinnt, sondern auch langfristig bindet?

  1. Authentizität ist das A und O. Schönfärberei führt zu enttäuschten Erwartungen und Abbrüchen. Zeigen Sie ein realistisches Bild Ihres Unternehmens – mit Stärken und Entwicklungsfeldern.
  2. Kommunizieren Sie klar über Zukunftsperspektiven. Die Generation Z möchte wissen, wohin die Reise geht. Ein starkes Employer Branding skizziert auch den weiteren Karriereweg.
  3. Verstehen Sie Employer Branding als kontinuierlichen Prozess über die Rekrutierung hinaus. Investieren Sie gezielt in Ausbildungsqualität, regelmäßiges Feedback und eine wertschätzende Unternehmenskultur.

Wer diese Grundsätze beherzigt, wird nicht nur im Wettbewerb um Ausbildungstalente bestehen, sondern auch den dringend benötigten Fachkräftenachwuchs im Unternehmen halten können.

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