„Azubis auf Augenhöhe begegnen“
Mit mehr als 9.000 Mitarbeitenden sowie 230 Auszubildenden und dual Studierenden ist DATEV einer der größten Software- und IT-Dienstleister Europas mit Hauptsitz in Nürnberg. Jetzt hat das Unternehmen zum ersten Mal seine Ausbildungsarbeit zertifizieren lassen - und auf Anhieb mit „gut" abgeschlossen. Was das Besondere an einer Ausbildung bei DATEV ist, erklären Alina Surcel und Uwe Ritthammer im Interview mit Heidi Becker aus der AUBI-news-Redaktion.

Heidi Becker: Herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Zertifizierung mit dem Gütesiegel BEST PLACE TO LEARN! Ich freue mich sehr, dass ich heute mehr über Ihre Ausbildungsarbeit erfahren darf. Starten wir doch mit einer kurzen Vorstellung!
Alina Surcel: Ich bin Alina Surcel und Referentin Ausbildung in der Abteilung HR Future Talents. Unsere Abteilung ist für die duale Ausbildung und das duale Studium bei DATEV zuständig. Derzeit haben wir 230 Azubis und dual Studierende, mit dem Fokus auf IT-Berufe. Ich selbst bin für ca. 45 Nachwuchskräfte im Bereich Service und Logistik sowie für die dortigen Fachausbilder zuständig.
Uwe Ritthammer: Ich bin Uwe Ritthammer und so etwas wie der „Ausbildungsmethusalix“ bei DATEV. 1991 habe ich hier selbst eine Ausbildung gemacht und anschließend Informatik studiert, um Softwareentwickler zu werden. Aber dann hat es mich in den Personalbereich verschlagen, mit dem Schwerpunkt IT-Schulungen. Jahrzehntelang habe ich jungen Auszubildenden den Umgang mit Programmiersprachen, Datenbanken etc. beigebracht. Seit 2018 verantworte ich die Abteilung Future Talents. Insgesamt sind wir dort zu zehnt. Die Abteilung haben wir erst vor Kurzem so genannt, weil der Name gut ausdrückt, was wir machen, um wen wir uns kümmern und wo die Reise hingehen soll.
Sie haben auf Anhieb mit „gut“ bzw. mit 1.117 Punkten abgeschlossen. Haben Sie mit diesem tollen Ergebnis gerechnet?
Uwe Ritthammer: Natürlich haben wir gehofft, dass wir gut abschneiden, und auch daran geglaubt, dass wir eine gute Ausbildung machen. Gleichzeitig haben wir es nie richtig gewusst, weil es uns nie jemand von außen gesagt hat. Die Ausrichtung auf die Zukunft, wie der Name „Future Talents“ ja sagt, beinhaltet u. a., dass wir uns überlegt haben, wo überhaupt unser Ausgangspunkt ist. Wir wollen uns weiterentwickeln, haben aber keine Null-Messung. Das war auch der Grund für die Zertifizierung. Wir hatten ein paar Vermutungen, wo wir stehen und was wir besser machen können, wollten das aber gerne objektiv von neutraler Stelle erfahren. Ein Siegel, das man einfach so kaufen kann, kam für uns daher nicht infrage.
Eine besonders gute Bewertung gab es für das Onboarding bei DATEV. Wie gestalten Sie dieses?
Alina Surcel: Häufig stellen wir schon 1 Jahr vorher ein, weshalb uns ein guter Kontaktaufbau in der Zeit bis zum Ausbildungsbeginn sehr wichtig ist. Dazu haben wir zwei große Team-Events: Im Winter laden wir die zukünftigen Azubis zu einem gemeinsamen Lebkuchenbacken ein, im Sommer gehen wir klettern oder unternehmen etwas anderes. Auch zu kleineren Veranstaltungen der einzelnen Fachbereiche werden die Neuen bereits eingeladen, um ihr zukünftiges Team kennenzulernen. Etwa anderthalb Monate vor Ausbildungsbeginn findet dann noch ein Online-Treffen statt, um wichtige Fragen der Neuzugänge zu beantworten, organisatorische Dinge zu klären und die Aufregung vorm ersten Tag zu nehmen.
Uwe Ritthammer: In der ersten Woche, der sog. Future Talent Week, nehmen wir uns dann viel Zeit, um den Schritt vom Schüler zum Azubi zu begleiten und die „neue Welt“ zu zeigen. Statt der gewohnten Lehrer-Schüler-Hierarchie ist unsere Kultur bei DATEV von Augenhöhe geprägt. Wir möchten den Neuen vermitteln: Wir tragen die Verantwortung für deine Ausbildung gemeinsam. Wir haben gewisse Erwartungen an dich, dafür kannst du deine Ausbildung auch mitgestalten.
In meiner eigenen Ausbildung vor 30 Jahren habe ich den Ausbildungsleiter vielleicht dreimal gesehen: Am Anfang meiner Ausbildung, am Ende, und in der Mitte, wenn ich etwas ausgefressen hatte. Das möchte ich anders machen. Die Future Talent Week ist eine tolle Gelegenheit für Begegnungen und gegenseitiges Kennenlernen. Wir gehen zum Beispiel Kegeln und haben zum Abschluss ein Koch-Event. Dabei lernt man sich in einem ganz anderen Kontext kennen: Ich bin dann nicht der ominöse Ausbildungsleiter, sondern jemand Nahbares, an den man sich mit seinem Anliegen wenden kann. Das macht unsere Kultur aus. Auch wenn wir inzwischen sehr groß sind, hat es etwas Familiäres. Genau das kommt in der ersten Woche rüber.
Eine gute Bewertung gab es auch für die Kompetenzen Ihres Ausbildungspersonals. Wie qualifizieren Sie Ihre Ausbilderinnen und Ausbilder bzw. die Verantwortlichen in den Fachabteilungen, sodass Ihre Azubis und dual Studierenden gut betreut und begleitet werden?
Uwe Ritthammer: Vor ein paar Jahren ist sehr viel entstanden, denn die Anzahl unserer Azubis ist von 130 auf 230 gestiegen. Früher hat unser Team aus der Ausbildungsabteilung alles selber gemacht und die Azubis selbst betreut. Jetzt kümmern wir uns eher um Planung und Organisation, und die Fachausbilder übernehmen die operative Ausbildungsarbeit. Damit dies gut gelingt, haben wir unterschiedliche Qualifizierungsangebote entwickelt.
Alina Surcel: Mit der sog. Community of Practice haben wir ein Austausch-Format geschaffen, um den Informationsfluss und den Austausch besser zu gestalten. Damit ist einerseits der Austausch zwischen der Ausbildungsabteilung und den Fachausbildern gemeint, aber auch der Austausch zwischen den Fachausbildern untereinander. Gerade wenn sie aus unterschiedlichen Abteilungen kommen, können so Best Practices geteilt werden.
Zu unserem Einsatzplanungs - und Feedbacktool haben wir neu ein Lernvideo. Dann gibt es für Fachausbilder eine externe Schulung zum Thema Arbeitsrecht, um beispielsweise im Umgang mit minderjährigen Azubis mehr Sicherheit zu geben. Vor dem Ausbildungsstart bieten wir Info-Sessions, die im Besonderen neue Fachausbilder auf ihre Aufgabe vorbereiten. Darüber hinaus machen wir Selbstlernangebote, kollegiale Fallberatung und vieles mehr. Kurz gesagt ist es ein Methodenmix.
Sie haben ein mobiles Ausbildungskonzept. Wie genau kann ich mir dieses vorstellen? Wie bereiten Sie Ihre Azubis darauf vor?
Uwe Ritthammer: Das hybride bzw. mobile Ausbildungskonzept wurde quasi aus der Not heraus geboren. Durch Corona als Treiber hat sich der Anteil von Remote Work vervielfacht und in einer Betriebsvereinbarung niedergeschlagen. Diese gibt den Mitarbeitern sehr viel Flexibilät und Entscheidungsfreiheit, wo sie arbeiten. Dies ist die spätere Arbeitswirklichkeit unserer Azubis, und dafür brauchen sie bestimmte Kompetenzen. Wie nutze ich die Firmen-Werkzeuge richtig, beispielsweise Videokonferenzsysteme, Chats, Ampelsysteme zur Verfügbarkeit etc.? Wie arbeite ich eigenständig? Wie motiviere ich mich selbst? Wie halte ich Kontakt zu meinen Kollegen? All das müssen unsere Azubis erstmal lernen, um perspektivisch mündig entscheiden zu können, ob sie – je nach Aufgabe – im Homeoffice arbeiten oder in die Firma fahren.
Alina Surcel: Das Konzept selbst verfolgt einen Gamification-Ansatz mit Leveln von 0 bis 5. Jedes Level hat ein anderes Kontingent an mobilen Arbeitstagen. Dieses Kontingent kann man nutzen, muss es aber nicht. Level 0 ist die Probezeit. Dort ist kein mobiles Arbeiten möglich. Die Azubis sollen erstmal gut in der Firma ankommen, das Team kennenlernen und sich vernetzen. In Level 1 können die Azubis an vier Tagen im Monat mobil arbeiten. Dies steigert sich dann bis zu Level 5: In diesem Level greift die Betriebsvereinbarung, d. h. die Azubis erlangen die volle Flexibilität gemäß Betriebsvereinbarung. Um von einem Level ins nächste zu kommen, müssen unsere Azubis bestimmte Level-Challenges bestehen. Zusätzlich gibt es Flexi-Challenges, bei denen sie sich bis zu 10 zusätzliche mobile Arbeitstage „erspielen“ können. Die Level-Challenges sind verpflichtend, die Flexi-Challenges sind freiwillig. So führen wir unsere Azubis Schritt für Schritt an ihre spätere Arbeitswirklichkeit heran.
Welche Entwicklungsfelder haben Sie für sich priorisiert? Woran arbeiten Sie gerade bzw. woran möchten Sie in Zukunft arbeiten?
Uwe Ritthammer: Die Lernortkooperation, also die Zusammenarbeit mit der Berufsschule bzw. der dualen Hochschule, wurde nicht so gut bewertet. Deshalb wollen wir uns mehr um die Bildungspartner kümmern, mehr darüber sprechen, wie wir zusammenarbeiten, und die Zusammenarbeit transparenter machen.
Alina Surcel: Ein weiteres Thema sind die Karrierewege bzw. die Karrierebegleitung. Um den Übergang nach der Ausbildung frühzeitig zu gestalten, haben wir zwei Tools: Das Zielgespräch und das Übernahmegespräch. Das Zielgespräch ist ein neues Tool und findet zur Hälfte der Ausbildung statt, um bereits erste Weichen zu stellen. Das Übernahmegespräch findet ein halbes Jahr vor der Abschlussprüfung statt. Derzeit liegt unsere Übernahmequote bei 90 Prozent. Manche Azubis wollen beispielsweise noch ihr Abi nachmachen und/oder studieren. Nach dem Studium kommen viele allerdings wieder zurück. Einige bleiben auch während der Studienzeit als Werksstudent im Unternehmen.
Welchen abschließenden Rat bzw. Tipp können Sie anderen Ausbilderinnen und Ausbildern mitgeben?
Uwe Ritthammer: Wenn ich mein Gegenüber wie ein Kind behandle, führt er oder sie sich auch kindlich auf. Mein Tipp ist deshalb, Azubis ernst zu nehmen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Wenn man ein Verhältnis aufgebaut hat, in dem man sich gleichberechtigt fühlt, kommt es im Gespräch ganz anders rüber bzw. hat es eine ganz andere Wirkung, wenn man enttäuscht ist bzw. sich vom Azubi ein anderes Verhalten erwartet hätte.
Alina Surcel: Als Ausbilder Veränderungsbereitschaft vorleben. In der Ausbildung wiederholen sich viele Prozesse, zum Beispiel die Einstellung, die Gespräche, die Übernahme. Statt die Dinge so zu machen, wie man sie immer macht, sollte man offen für Veränderungen und Anpassungen sein. Unsere Zielgruppe durchlebt schließlich auch jeden Tag ganz viele Veränderungen.
Vielen Dank für das Gespräch und die spannenden Einblicke!
Über DATEV
DATEV ist mehr als ein grünes Rechteck. Wir sind einer der größten Software- und IT-Dienstleister Europas mit Hauptsitz in Nürnberg. Mehr als9.000 Mitarbeitende geben alles, um die Digitalisierung der Geschäftsprozesse unserer über 500.000 Kund:innen voranzutreiben. Diese vertrauen auf unsere PC- und Cloud-Lösungen sowie mobilen Apps und rechnen damit beispielsweise monatlich rund 14 Millionen Lohnabrechnungen ab. Als Genossenschaft fördern wir das Miteinander. „Fortschritt treiben. Zukunft gestalten. Gemeinsam Erfolg haben“ steht in unserer Zusammenarbeit stets im Vordergrund. Wir vereinen Beständigkeit mit Innovationskraft. Diversity, Equity und Inclusion sind für uns die essentielle Grundlage, damit alle gleichberechtigt am Arbeitsleben teilhaben können. Dafür steht DATEV jeden Tag ein. #WirsindDATEV!
Über das Gütesiegel BEST PLACE TO LEARN
Das branchenübergreifend anerkannte Gütesiegel wird ausschließlich an Unternehmen vergeben, die im Zuge einer 360-Grad-Befragung zu über 70 Qualitätskriterien nachweisen, dass sie ihre Nachwuchskräfte herausragend beruflich qualifizieren. Ist Ihr Unternehmen ein BEST PLACE TO LEARN? Mit dem Fitness-Check finden Sie es in 5 Minuten heraus: Zum Fitness-Check.