„Ausbilder brauchen emotionale Intelligenz“
Die Vereinigte Volksbank eG aus Brakel zählt zu den besten Ausbildungsbetrieben Deutschlands – und das bereits zum vierten Mal. Ausbildungsleiterin Jennifer Rühl erklärt im Interview mit der AUBI-news-Redaktion, wie die Bank junge Menschen fördert und warum emotionale Intelligenz für Ausbilder unverzichtbar ist.
Heidi Becker: Liebe Frau Rühl, ich freue mich sehr auf das heutige Interview! Bitte stellen Sie sich unseren Leserinnen und Lesern doch kurz vor.
Jennifer Rühl: Sehr gerne! Mein Name ist Jennifer Rühl und ich beschäftige mich seit 20 Jahren intensiv mit Ausbildung und der Qualifikation von Ausbildern. Als systemische Beraterin habe ich in der Vergangenheit verschiedene Genossenschaften bei der Neugestaltung ihrer internen Ausbildungsprozesse begleitet. Seit 4 Jahren bin ich jetzt bei der Vereinigten Volksbank in Brakel und verantworte dort die Ausbildungsleitung.
Wie groß ist die Vereinigte Volksbank?
Wir haben derzeit 304 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 19 Auszubildende. Neben unserer Hauptstelle in Brakel betreiben wir neun weitere Filialen, davon sind zwei sehr klein und werden jeweils nur von einem Azubi und einem Mitarbeitenden besetzt. Im Vergleich zu den größeren Banken und Sparkassen in der Region sind wir also eher ein „kleines gallisches Dorf“.
Nach 2016, 2019 und 2022 war dies Ihre vierte Zertifizierung. Warum ist Ihnen das Gütesiegel BEST PLACE TO LEARN so wichtig?
Die Zertifizierung ermöglicht uns einen unverstellten Blick von außen auf unsere Ausbildungsqualität. Besonders wichtig ist für uns das anonyme Feedback aller Befragungsgruppen. Der Kampf um Talente wird härter, und wir als „kleines gallisches Dorf“ müssen uns zwischen großen Arbeitgebern behaupten. Mit dem Gütesiegel senden wir ein klares Signal nach außen und zeigen, was uns ausmacht: Wir investieren bewusst in die Qualität unserer Ausbildung, weil wir wissen, dass unsere Nachwuchskräfte die Zukunft unseres Hauses sind.
Eine besonders positive Bewertung gab es für Ihren Bewerbungsprozess. Wie gestalten Sie diesen?
Unser Bewerbungsprozess ist bewusst sehr zügig organisiert: Innerhalb von zwei bis drei Tagen nach Eingang der Bewerbung laden wir zum Gespräch ein, das dann meist innerhalb von zwei Wochen stattfindet. Wir achten auf eine lockere Gesprächsatmosphäre, damit sich Bewerberinnen und Bewerber authentisch präsentieren können. Unser Ziel ist, spätestens nach vier Wochen eine klare Zu- oder Absage zu geben.
Als Grund für die Bewerbung wurden von einigen Befragten u. a. Praktika genannt.
Genau, ein großer Teil unserer Bewerber sind tatsächlich Praktikanten, beispielsweise Fachabiturienten, die in der 11. Klasse ein Praktikum absolvieren, sowie andere Schülerinnen und Schüler, die ein freiwilliges Praktikum von einer Woche bei uns machen. Zum Ausbildungsstart 2026 nehmen wir sechs neue Azubis auf. Fünf Plätze sind bereits besetzt, davon vier durch ehemalige Praktikanten.
Dass wir in letzter Zeit viel in das Ausbildungsteam investiert haben, merkt man auch an der hohen Qualität in der Praktikumsbetreuung. Die Praktikanten bekommen vielfältige Einblicke: Sie sind nicht nur im Service oder bei Beratungen dabei, sondern können auch in die Sachbearbeitung von Krediten, ins Marketing oder in andere Abteilungen reinschnuppern. So können wir Talente frühzeitig kennenlernen und direkt für unsere Bank gewinnen. Von Tagespraktika oder Girls‘ und Boys‘ Days haben wir hingegen Abstand genommen.
Ja, Ihr Ausbildungsteam hat Bestnoten erhalten. Wie haben Sie dies erreicht?
Unser Ausbildungsteam hat sich seit der letzten Zertifizierung verdreifacht und umfasst jetzt 32 Personen. Fast das gesamte Team besitzt inzwischen den Ausbilderschein. Zusätzlich bieten wir jährliche Trainings an, z. B. zu schwierigen Situationen mit Azubis, Konfliktmanagement oder rechtlichen Themen wie Jugendarbeitsschutz.
Außerdem führen wir pro Quartal ein Ausbildertreffen durch, um uns auszutauschen. Manchmal ergeben sich daraus auch Workshops. So kann jede und jeder seinen persönlichen „Werkzeugkoffer“ sukzessive mit neuen Methoden und Kompetenzen erweitern. Dank der regelmäßigen Treffen sind alle Ausbilderinnen und Ausbilder gut untereinander vernetzt und können sich gegenseitig unterstützen. So stellen wir sicher, dass unsere Ausbilder fachlich, sozial und methodisch bestens auf ihre Aufgabe vorbereitet sind.
In einer anonymen Freitextanwort schreibt eine ehemalige Auszubildende / ein ehemaliger Azubi , dass sie bzw. er persönlich gereift ist: „Ich habe mich bisher in einem Zeitraum von 2,5 Jahren noch nie so stark verändert. Die Person, die ich heute bin, gefällt mir richtig gut.“ Sie bilden also nicht nur fachlich aus.
Bei uns gehen fachliche Ausbildung und Persönlichkeitsentwicklung Hand in Hand. Unsere Ausbilderinnen und Ausbilder achten darauf, dass unsere Azubis nicht nur Fachkompetenz erwerben, sondern auch persönlich wachsen. Durch regelmäßiges Feedback, gezielte Impulse und Reflexionsgespräche fördern wir Selbstbewusstsein, Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein bei unseren Azubis.
Wir müssen spüren, wenn einen Azubi etwas belastet, auch wenn es nichts mit der Arbeit zu tun hat. Nur so können wir langfristig Talente fördern und binden. Dafür brauchen wir als Ausbilder emotionale Intelligenz – die Fähigkeit, Verhalten, Stimmung und Bedürfnisse unserer Azubis richtig wahrzunehmen. Wenn wir früh erkennen, dass etwas im Busch ist, können wir individuell unterstützen und passende Impulse geben. Das stärkt Vertrauen, Motivation und Bindung der Azubis – und sorgt dafür, dass fachliche Ausbildung und Persönlichkeitsentwicklung optimal zusammenwirken.
Haben Sie noch einen abschließenden Tipp für andere Ausbilder?
Investiert in euer Ausbilderteam! Gebt ihnen Raum und Vertrauen. Kommuniziert klar, welchen Stellenwert Ausbildung in eurem Unternehmen hat. Klarheit und Nähe schaffen Vertrauen und Loyalität und sind die Basis einer guten Ausbildung. Meine Ausbildungsformel lautet daher: Transparenz + Nähe = Vertrauen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Über die Vereinigte Volksbank eG
Die Vereinigte Volksbank eG ist eine eigenständige mittelständische Genossenschaft mit rund 300 Mitarbeiter/-innen im Kreis Höxter. Ihr gemeinsamer Auftrag ist es, Leben und Wirtschaften in und für eine gesunde Umwelt zu gestalten. Als nachhaltig orientiertes Unternehmen gehören Familienfreundlichkeit sowie die Förderung der persönlichen und fachlichen Entwicklung aller Mitarbeiter/-innen zu den Fundamenten ihres Handelns.
Die Ausbildung in der Vereinigten Volksbank besteht aus drei Säulen: Neben der praktischen Ausbildung in der Bank und der theoretischen Ausbildung in der Berufsschule besuchen die Auszubildenden die sogenannten "NextGenoration-Schulungen". Hier verbinden sie Theorie und Praxis und lernen, ihr Wissen in Kundengesprächen anzuwenden.
Über das Gütesiegel BEST PLACE TO LEARN
Das branchenübergreifend anerkannte Gütesiegel wird ausschließlich an Unternehmen vergeben, die im Zuge einer 360-Grad-Befragung zu über 70 Qualitätskriterien nachweisen, dass sie ihre Nachwuchskräfte herausragend beruflich qualifizieren. Ist Ihr Unternehmen ein BEST PLACE TO LEARN? Mit dem Fitness-Check finden Sie es in 5 Minuten heraus: Zum Fitness-Check.