Das Betreten der Gleise ist ausdrücklich erwünscht

„Aufgrund von Bauarbeiten zwischen Marl-Sinsen und Haltern endet unsere Zugfahrt heute in Marl-Sinsen“, tönt es aus dem Lautsprecher der Bahn. Der Gast seufzt, weil er in einen Bus umsteigen muss. Den Gleisbauer freut’s, weil er auf der gesperrten Strecke neue Schienen verlegen kann, ohne dass – nur einen großen Schritt von ihm entfernt – ein Zug an ihm vorbeirauscht. Luxus ist das. Denn in den meisten Fällen muss ein Gleisarbeiter Schienen erneuern, während der Verkehr auf der benachbarten Strecke rollt. Oder ein Zug fährt nur wenige Minuten später auf dem Gleis, an dem er gerade noch eine Schwellenschraube nachgezogen hat.

Auf der linken Strecke liegen schon die neuen Schienen bereit, während auf dem Nachbargleis die Bettreinigungsmaschine den Schotter zwischen den Schwellen säubert.
Auf der linken Strecke liegen schon die neuen Schienen bereit, während auf dem Nachbargleis die Bettreinigungsmaschine den Schotter zwischen den Schwellen säubert. © Matthias Graben
Reisende, die wieder durchgängig mit dem Zug bis Haltern am See fahren, werden wohl kaum ihre Zeitungslektüre unterbrechen, um darüber nachzudenken, wie viele Handschläge und Maschinen nötig waren, um die Schienen unter ihnen wieder auf Vordermann zu bringen. Alle 20 Jahre müssen die Gleise erneuert werden. Dabei gibt es hierzulande viel zu tun. Denn hier liegt Europas größtes Streckennetz: Mit knapp 33 200 Kilometern ist es zweieinhalb Mal so lang wie alle Autobahnen in Deutschland zusammen. 


„Als das erste Mal ein Zug mit gefühlten 160 an mir vorbeiraste, ist mir das Herz schon ein bisschen in die Hose gerutscht“, sagt Ergün Karaca. Der Auszubildende hat gerade die Prüfung zum Tiefbaufacharbeiter bestanden. Nun beginnt sein drittes Ausbildungsjahr als Gleisbauer. „Man gewöhnt sich dran, aber es darf nicht zur Gewohnheit werden“, betont der 24-Jährige. Denn die Züge sind heute so leise, dass man sie viel zu spät wahrnimmt. Karaca zeigt auf den Bogen, den die Schienen machen. „Wenn der Zugführer einen erst dort sieht und bremst, ist es zu spät.“ Deshalb gibt es bei einer Baustelle auf einer nicht komplett gesperrten Strecke auch immer Sicherheitsposten, die Warnsignale geben. Ein Mischklang aus zwei Tönen heißt: „Fahrt im Nachbargleis.“ Zwei Töne hintereinander: „Fahrt im Arbeitsgleis.“ Dann verlassen die Gleisbauer die Schwellen. 


Nicht nur Schienen und Weichen werden ausgetauscht. Auch der Schotter im Gleisbett wird aufgefrischt. Dafür fährt eine Maschine, deren Ende hinter der Biegung verschwindet, über die Schienen. Der Name dieses gelben Monsters lautet: Bettreinigungsmaschine. Sie entfernt Zweige, Blätter, Tierkadaver. Und auch die Staubanteile. Mindestens die Hälfte der so gut durchgesiebten Steine schüttet sie dann zurück aufs Gleis. Dann kann das Regenwasser wieder ungestört abfließen. 


Karaca in orangeleuchtender Weste und Hose kniet auf den Schwellen des benachbarten Gleises und legt eine Laser-Wasserwaage auf die Schienen. Er muss ausrechnen, auf welcher Höhe eine Schiene angebracht werden muss. Dabei orientiert er sich an einem Messpunkt, der an einem Mast neben der Bahnstrecke gekennzeichnet ist. „Mathe ist wichtig“, sagt sein Ausbilder Hans Friedrich (65). „Man muss den Kopf anstrengen, aber auch körperlich gut drauf sein.“ 


Bei Hitze und Staub, Kälte und Regen 


Schienen und Weichen werden heute zwar nur noch selten in reiner Handarbeit ausgetauscht. Einen Großteil übernehmen die Maschinen. Trotzdem ist die Arbeit des Gleisbauers nicht ohne, bei Hitze und Staub oder Kälte und Regen. Und dazu lärmen noch die Maschinen, während Karaca im Kopf rechnet. 


Aber der Nachteil ist zugleich der Vorteil: „Ich wollte auf jeden Fall draußen arbeiten“, sagt Karaca. Und wann sieht man schon mal solch eine Maschine wie die Bettreinigungsmaschine? Wann darf man schon mal ein Handstopfgerät bedienen? Das Gerät sieht nicht nur aus wie ein Presslufthammer, es klingt auch so. Damit stopft Karaca Schotter unter die Schwellen. Friedrich: „Wenn Sie das acht Stunden gemacht haben, oder auch zehn, dann wissen Sie, was sie getan haben.“ 


Fünf Kilometer in zehn Tagen. Die Zeit hat der Gleisbauer immer im Nacken. Damit die Menschen nicht länger als nötig mit dem Schienenersatzverkehr fahren müssen, wird rund um die Uhr gearbeitet. Und viel in den Sommerferien. Und natürlich auch an Wochenenden. „Als ,Bochum Total’ war, musste ich auch arbeiten“, sagt Karaca, der gerne das Festival besucht hätte. Aber er fügt lächelnd hinzu: „Für mich ist das ok. Wenn andere Geld ausgeben, verdiene ich es.“ Außerdem ist die Baustelle ja nicht weit von seinem Wohnort entfernt. Da kann er zumindest am Abend erschöpft in sein eigenes Bett fallen. Und wenn Karaca das nächste Mal mit dem Zug fährt, von Marl-Sinsen nach Haltern am See, kann er nun stolz behaupten: „Guck mal, das habe ich gebaut.“


- Der angehende Gleisbauer Ergün Karaca arbeitet bei dem Düsseldorfer Unternehmen Eiffage.

- 43 Prozent der Auszubildenden haben einen Hauptschulabschluss, 41 Prozent einen mittleren Bildungsabschluss. 


Aktuelle Ausbildungsplätze zum Gleisbauer von Eiffage gibt es im Premiumprofil




Maren Schürman

Der Westen, abgerufen am 18.08.2016 

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